Was macht ihr beruflich und wie lange lebt ihr bereits in Zollikofen?
Barbara: Ich bin selbständige Kommunikations-/Sprachberaterin, Texterin und Illustratorin (Sketchnotes). Ich bin in Zollikofen aufgewachsen und im Februar 2023 nach über 20 Jahren wieder zu meinen Wurzeln zurückgekehrt.
Marco: Ich bin Physiotherapeut und selbständiger NLP- und Hypnose-Therapeut. Wir wohnen seit Februar 2023 in Zollikofen.
Welche Wohnformen habt ihr mit eurer Familie bereits ausprobiert, welche Erkenntnisse habt ihr daraus gewonnen?
Barbara: Wir besassen 10 Jahre lang ein Haus auf dem Land. Der Standort war für uns langfristig nicht der richtige, und Haus und Garten nahmen viel Zeit in Anspruch. Irgendwann stellten wir fest, dass wir kein Eigentum brauchen. Ich sehnte mich nach mehr Freiheit und danach, dort zu wohnen, wo es zur Lebenssituation passt. Auch sehnte ich mich nach mehr Verbundenheit, denn imDorf waren wir 9 Jahre lang die Neuzugezogenen. Als die Kinder nicht mehr die Schule vor Ort besuchten, war es für uns sehr schwierig Kontakte aufrecht zu halten oder neue zu finden. Und auch eine bessere ÖV-Anbindung habe ich mir gewünscht.
Marco: Wir sind die Umzugsweltmeister. Wir lebten in diversen Mietwohnungen und besassen zehn Jahre eine Doppelhaushälfte. Wir haben uns aber nie zu 100 Prozent zu Hause gefühlt. Die Nachbarschaft war eher separiert und wir haben kaum etwas zusammen unternommen. Das haben wir vermisst und war einer der Gründe, das Haus wieder zu verkaufen.
Wie habt ihr zu Urbane Dörfer gefunden und/oder was gefällt euch (besonders) am Projekt?
Barbara: Über den Dokumentarfilm «Bratsch – ein Dorf macht Schule.». Wir wurden zu einem Filmabend eingeladen und waren ganz erstaunt, dass es ein solch innovatives Projekt in Zollikofen gibt. Nach dem Besuch eines Infoabends haben wir uns als Genossenschafer*innen angemeldet und uns dazu entschieden, Dorfpionier*innen zu werden. Ich schätze die Gemeinschaft und den Austausch mit Gleichgesinnten. Das Konzept des Urbanen Dorfes vereint die Vorzüge des dörflichen Lebens – Naturverbundenheit, Ruhe und ein starkes Miteinander – mit den Annehmlichkeiten einer gut vernetzten, modernen Umgebung. Besonders reizt mich die Möglichkeit, aktiv an der Gestaltung des Wohnumfeldes und der Dorfstrukturen mitzuwirken.
Marco: Eher per Zufall: Barbara kam wegen eines Films, der im Webergut gezeigt wurde, mit Matthias Tobler in Kontakt. So kam eines zum anderen. Ich schätze die Gemeinschaft, die Menschen und die verschiedenen Möglichkeiten, die sich hier auftun – sowohl privat als auch beruflich. Zudem sind mir kurze Wege und die Nachhaltigkeit wichtig, besonders aber das Zusammenleben von Jung und Alt. Ich denke, dass das in unserer Gesellschaft wieder mehr Stellenwert erhalten sollte. Ich erlebe in meinem Beruf so viele Menschen, die einsam sind. Das ganze Projekt ist ein kleiner Schritt, dem entgegenzuwirken.
Du, Barbara, arbeitest bereits im Coworking Webergut, wie sind deine Erfahrungen?
Barbara: Ich fühle mich im Coworking sehr wohl. Da ich einen festen Arbeitsplatz (Fixdesk) habe, kann ich mir meinen Wirkungsbereich so einrichten, wie ich es mir wünsche. Ich kann gleichzeitig Individualität und Gemeinschaft leben. Die Einrichtung des Coworking spricht mich sehr an. Die vielen Pflanzen sind ein Traum! (Danke, Joanna!) Besonders schätze ich die Gespräche mit meinen Coworking-Gschpändli und den Dorfpionier*innen, die immer mal wieder im Webergut auftauchen. Sie erweitern meinen Horizont.
Du, Marco, möchtest später im Urbanen Dorf Webergut eine Praxis einrichten, weshalb?
Marco: Mein Hauptgrund ist die Unabhängigkeit. Sich niemandem erklären zu müssen, sondern alles nach meinen Wünschen und Träumen gestalten zu können – das empfinde ich als wichtig. Ich möchte mein Leben so gestalten, wie es für mich stimmt und nicht für alle anderen. Aber auch aus rationellen Gründen: kurzer Arbeitsweg, Flexibilität und Nähe zur Familie.
Ihr seid bereits aktiv als Pioniere, was sind eure Aufgaben (-Bereiche)?
Barbara: Mein Herz schlägt für die Kommunikation. Darum war es für mich naheliegend mich auch in diesem Bereich für Urbane Dörfer zu engagieren. Zusätzlich bin ich Teil der Spurgruppe Lernökosystem Webergut. Hier versuchen wir eine innovative Lernlandschaft zu entwickeln. Das gesamte Quartier wird zur 15-Minuten-Lernzone, in der Lernen an verschiedenen Alltagsorten stattfindet – in der Natur, Betrieben und Vereinen. Im Zentrum steht lebenslanges, selbstgesteuertes und gemeinschaftliches Lernen für Menschen aller Altersgruppen. Ziel ist es, eine vernetzte, kreative Gemeinschaft zu schaffen, die praxisnahes, zukunftsorientiertes Lernen ermöglicht.
Marco: Ich bringe mich aktuell vor allem projektbasiert ein. Gemeinsam mit Barbara, habe ich zum Beispiel den Auftritt an der Gewerbeausstellung und die Neugestaltung des Projektraums geplant. Ein grösseres Engagement ist für mich aufgrund meines Berufes momentan leider nicht möglich.
Was erhofft ihr euch vom Webergut?
Barbara: Ein gutes, nachhaltiges Leben in Gemeinschaft mit vielfältigen Menschen aller Generationen.
Marco: Spontanität, Begegnungen, gute Gespräche im Garten oder auf der Dachterrasse, Möglichkeiten und eine Infrastruktur, dies alles zu verwirklichen.
Seht ihr auch Gefahren oder Herausforderungen?
Barbara: Beim Zusammenleben wird es unweigerlich zu Konflikten kommen. Unterschiedliche Bedürfnisse werden aufeinandertreffen. Ich bin aber überzeugt, dass wir als Gemeinschaft Wege finden, konstruktiv mit solchen Herausforderungen umzugehen. Erste Weichen dafür werden schon heute gestellt.
Marco: Gefahren nein, denn es passiert ja nichts, was wir nicht wieder Rückgängig machen könnten. Herausforderungen wird es sicher geben, die gehören zum Leben dazu und sind ja nicht per se negativ.